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Reconnaissance
Interview Mag
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Axel
Prahl
Schauspieler
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„Ich
glaube, dass Schönheit nicht unbedingt ein Trost ist“ |
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Über
eine Rolle im Traumschiff, Homestories, Groupies von Axel Prahl,
das Nerven von Kindern und den Ruhm, der keine weißen Flügel
behält |
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Axel
Prahls Filmographie der zurückliegenden zehn Jahre ist in Umfang
und Qualität kaum nachvollziehbar: Mehr als drei Dutzend Kinofilme,
Tatort-Krimis und gehobene Fernsehproduktionen stehen dort
zu Buche. Neben dem komfortablen wie imageträchtigen Dauerauftrag
durch seine Rolle als Kommissar Frank Thiel im ARD-Tatort
spielte er auch in internationalen Produktionen wie Der Pianist
von Polanski, Falcons oder dem Roten Baron. Mit dem
Münsteraner Tatort wurde er – nach Filmerfolgen wie Halbe
Treppe – schließlich einem Massenpublikum bekannt, wobei sich
ein besonderes Interesse für schwierige Rollen und Underdogs nachweisen
ließe. Zweifellos ist Axel Prahl (Jahrgang 1960) bemerkenswert normal,
was keineswegs leutselig bedeutet.
Am
25. Dezember 2009 stand er leibhaftig auf der Bühne des Chemnitzer
Kultclubs Atomino, als er während der jährlichen Weihnachtsfeier,
die der Popsängerin Madonna gewidmet war, deren 90er-Klassiker „Frozen“
als Solist umjubelt zum Besten gab. Die Teilnahme am Interview von
Reconnaissance Interview Mag, die wir Axel Prahl höflich
antrugen, war ihm sofort recht, und drei Wochen später hatten wir
Dank seiner Agentin einen Termin für das Interview gefunden. Beim
dezenten Italiener am Prenzlauer Berg, wo auch mal Musiker von Rammstein
oder Model Eva Padberg gediegen-normal speisen (den Namen des Lokals
verraten wir nicht...), kommen wir mit Kellner Antonio ins Gespräch:
Prahl sei schon seit zehn Jahren Stammgast und habe sich kein bisschen
verändert, immer freundlich, korrekt, angenehm sei er eben. Von
welcher Zeitung wir kämen? fragt Antonio. Vergangene Woche habe
sich der Abgesandte einer in München verlegten Zeitschrift mit Herrn
Prahl hier getroffen...
Und
dann erscheint Axel Prahls typische Silhouette auf der Schaufensterscheibe.
Draußen vor der Tür raucht er noch schnell seine Zigarette zu Ende,
bevor er an den Tisch kommt, wo Antonio gleich den Kaffee und ein
Glas Wasser für ihn serviert, Stammgastservice eben. Und nach einer
freundlichen Vorstellung und der Erläuterung unserer Interviewsatzung
geht es auch gleich los.
Wenn man
bedenkt, was man weiß, ist Schönheit nie ein Trost, ließ Mishima
einen Anti-Helden sagen. Oder ist Schönheit doch ein Trost?
Also ich glaube, dass Schönheit nicht unbedingt ein Trost ist –
das würde ich durchaus unterschreiben. Schönheit kann aber im Leben
durchaus hilfreich sein.
Sie könnten
an Michel Houellebecq und Bret Easton Ellis Gefallen finden oder
täuscht das?
Michel Houellebecq klar, Elementarteilchen – den Film fand
ich nicht so tolle – aber das Buch fand ich sehr gut. Ellis, nun
ja..., geteilt.
Welche favorisierten
Autoren über Houellebecq hinaus?
Da bin
ich dann eher der Vertreter der klassischen Zunft. Goethes Faust
lässt mich gar nicht mehr los...
Mehr der
erste oder der zweite Teil?
Der erste Teil, den zweiten Teil durchdringen ja kaum gestandene
Experten.
Ihre Filmographie
der zurückliegenden zehn Jahre ist geradezu erdrückend im positiven
Sinne. Als junger Schauspieler mal diesen Allmachtserfolg geträumt?
Keineswegs. Nie.
Nach dem
Sologenuss einer schweren Flasche Rotwein schon mal eine Oscar-Dankesrede
geprobt?
Auf gar keinen Fall. Ich hoffe, das bleibt mir auch erspart. – Der
Oscar erscheint mir auch nicht so sonderlich erstrebenswert.
Warum denn?
Weil der
Oscar ja doch schlussendlich mit einer Massenpopularität
zu tun hat, die mir nun gar nicht so liegt. Der American way
of life ist auch nicht unbedingt der Lifestyle, den ich präferieren
würde.
Hat Sie heute
jemand auf den Weg hierher erkannt?
Das ist recht einfach hier in der Gegend, wo ich wohne – da kennen
mich schon ein paar Leute. Und grüßen mich freundlich.
Beste deutsche
Fernsehserien der 80er?
Ekel
Alfred, vor allem die ersten Folgen. Später wurde es dann etwas
platter.
Müssen wir so stehen lassen, weil wir auch erst durch Nachrecherche
erkennen, dass diese Serie eine 70er-Jahre-Produktion ist, was irgendwie
auch an den laschen Farben ersichtlich ist.
Kir Royal
oder Monaco Franze?
Weiter. Hab’ ich beide nicht so wahnsinnig auf dem Schirm.
Das Schöne ist: Prahl überlegt sich seine Antworten, das hat
man so nicht immer.
Als Entscheidungsfrage
im Kinofilm: Brandner Kasper oder Rossini?
Da würde ich meinem Freund Jan-Josef zuliebe Rossini nennen
wollen.
Deutsches
Fernsehen tänzelt seit Jahren auf der Grenze zur Debilität. Stimmt
oder stimmt nicht?
Wenn ich mir alte Tatorte ansehe, was die noch für Möglichkeiten
hatten. Ich erinnere mich an einen alten Tatort – ich glaube
mit Hansjörg Felmy als Kommissar – da wurde der Weg eines Briefes
gezeigt, vom Einwurf in den Briefkasten bis zum Adressaten, die
Musik war noch handgemacht mit großen Orchester, das stand ein anderes
Handwerk dahinter.
Er will unbedingt in die Tatort-Themenecke wechseln.
Aber selbstredend haben wir dazu Fragen, die wir gleich mal vorziehen,
wenn das gewünscht ist. Aber den Münsteraner Tatort lassen
wir aus. Warum sollten wir ihm die 1001. Frage darüber stellen?
Was war der
beste Schimanski?
Weiß ich nicht. Ich hab mich früher mit Tatort auch nicht
so wahnsinnig befasst. In meiner Jugendzeit hatte ich viele andere
Dinge zu tun, Musik zu machen, da war ich nicht so der Fernsehbegeisterte.
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Ein
Vormittagsinterview beim Italiener am Prenzlauer Berg: Axel Prahl
ist wirklich ein Interviewpartner, den man sich wünscht: Auch wenn
er aufgrund seines Pensums etwas gehetzt scheint - jede Antwort ist
überlegt und klar. Und als die Kaffeetasse leer war, schienen alle
Fragen beantwortet zu sein. Fotos (2): Kreißig |
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Mal ehrlich:
Welche Tatort-Teams sehen Sie sich von vorn bis hinten an?
Wenn ich einen Blick zu den Kollegen werfe, schaue ich mir die meistens
von vorn bis hinten an, auch wenn es schon Folgen gab, wo ich zwischendurch
einnicke. Aber ich schaue sie dann schon zu Ende, um mir ein Urteil
bilden zu können.
Schon mal
das Branchengerücht gehört, dass sich ein aktueller Tatort-Kommissar
ihre Rolle durch Vorteilsgewährung verschafft haben soll?
Ich hab’ davon noch nichts gehört.
Er hat lange überlegt. Und wir behalten den kolportierten
Namen für uns, wir wollen keine Klagen.
Nach Tatort-Dreharbeiten
mal die kleine schöne Lust verspürt, mit einer scharfen Pistole
im Halfter ein bisschen durch Berlin zu laufen?
Nein,
überhaupt nicht. Vielleicht fällt es in unserem Tatort auch ein
bissel auf, dass ich immer versuche, die Waffe zu vermeiden.
Schon ein
eigenes Drehbuch verfasst oder angefangen?
Weiter. - - - Angefangen, ja...
In welche
Kollegin mal heimlich verliebt und es ihr nicht gesagt?
Das würde ich – wenn das mal passiert ist – hier natürlich auch
nicht zum besten geben...
Jetzt können
Sie es doch sagen...
Mmmh... Ich pflege dies auch strikt zu trennen. Meine Mutter sagte
immer: Friss nicht, wo du scheißt..., so ähnlich heißt das doch.
Wie sehen
die Groupies von Axel Prahl aus?
Die Groupies? Wahrscheinlich so ab 40 aufwärts. Keine Ahnung.
Mal eine
kurze Lust verspürt, eine Homestory in der BUNTEN zu machen,
vielleicht, wenn es Paul Sahner oder Marie Waldburg machen würden?
Nein.
Für InStyle
die Villa zu öffnen, gehört für ihre Kollegen in Amerika doch längst
zum Alltag...
Weiß
gar nicht, was InStyle ist... Muss man das machen – mit der
Homestory?
Vielleicht? Vielleicht in Amerika. Muss man natürlich nicht,
wenn man cool ist.
Kinder können
richtig nerven, besonders, wenn man seine Ruhe haben will. Richtig
oder falsch?
Kinder sind der Sinn des Lebens, meines Erachtens. Aber ich habe
mich in einem Polylux-Interview dazu hinreißen lassen – habe
es über die Lippen gehen lassen -, dass man die Kinder bisweilen
an die Wand hauen könnte – sinngemäß freilich – weil die einen manchmal
bis aufs Blut nerven. Aber das ging natürlich gar nicht…
Ist das Video
noch irgendwo im Internet zu finden?
Ich fürchte ja… Aber es ist natürlich so: Kinder bringen einen an
Grenzen…
Wir haben das Stück gefunden: Es ist ziemlich harmlos, wenn
man es im Stück ansieht. Aber für alle Correctness-Heuchler war
es der Offenbarungseid, wenn man sich die Kommentare durchliest.
Sie wollen
Ihren Kindern einen Leitspruch mitgeben. Welchen?
Durchhalten.
Letztes Mal
im Museum und wo?
Hamburger Bahnhof, die Neugruppierung der Sammlung. War zwar
zur Eröffnung eingeladen, bin dann aber später in Ruhe hin. Sehr
schön geworden, finde ich. Schafft wirklich einen neuen Blick auf
die Dinge.
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Im
Chemnitzer Kultclub Atomino ging Axel Prahl am 25. Dezember
2009 überraschend als Solist auf die Bühne und wurde umjubelt, zwei
Lieder genügten. |
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Schon mal
auf den Stufen des Pergamon-Altars gesessen?
Sicher.
Mal was für
das Überleben der TAZ gespendet? Wenn ja, wieviel?
Bisher nein. Das war mir nicht bekannt, dass die vom Untergang bedroht
ist.
„Jetzt als
Intendant kann ich jede Frau kriegen?“ Wer hat das angeblich gesagt?
Um Gottes willen. Weiß ich nicht.
Frank Castorf.
Mal Lust, in seiner Volksbühne was zu machen – selbstredend
im Großen Saal?
Warum nicht? Das käme immer auf das Stück an und wer Regie führt.
Also mit Castorf?
Ob heute mit Castorf noch was geht, ich weiß es nicht.
Wie verhält
man sich später persönlich, wenn man einst als kleiner Schauspieler
eine Rolle hingeworfen bekam und Jahre später plötzlich bekannter
ist als der Regisseur?
Wenn der Regisseur freundlich und nett zu mir war… Irgendjemand
muss ja auch die kleinen Rollen spielen. Und ein Film reißt ja an
der schwächsten Stelle...
Sehr schön hat er das gesagt. Nicht nur Filme reißen da.
Kleine Rollen
sind also für Sie nicht das Problem?
Wenn die Gelegenheit besteht, einen Film bis in die kleinste Stelle
gut zu besetzen, ist es ehrenwert, eine kleine Rolle gut auszufüllen.
Man kann gelegentlich sogar mit einer kleinen, gut ausgeführten
Rolle mehr Aufmerksamkeit erlangen als mit einer durchschnittlichen
Hauptrolle. Wenn man die kleine Rolle aber nicht ausfüllen kann,
können die brillantesten Regisseure kommen – dann verpufft das Ganze.
Wie reist
Axel Prahl im Sommer zum ersten Drehtag an? Cabrio? Ray-Ban-Sonnenbrille?
Mit dem eigenen Wohnmobil. Da kann man sich etwas mehr zurückziehen
als in den gemieteten Fahrzeugen. Eine Ray-Ban hab’ ich zwar,
aber setz’ sie nicht auf.
Lieblingskneipe
in Kreuzberg?
Oh. Lieber weiter.
Welche Erinnerung
an Ihren Auftritt im Atomino?
Das war ein sehr illustrer Abend, wie ich fand, und sehr kurzweilig.
Und ich war vor allen Dingen überrascht über die musikalische Qualität,
die dort geboten wurde, insbesondere der Auftritt der allerersten
Gruppe und die der letzten Gruppe des Abends.
Das Lob von Prahl geht an die Hohensteiner Band Might
Sink Ships und Dolly’s Meat aus Chemnitz.
Noch sehr
viel getrunken an dem Abend?
Ja, wahrscheinlich zu viel.
Bei der populären
Musik Verteidiger der 70er oder der 80er?
Musikalisch ging es bei mir sowieso so kreuz und quer von Pete Seeger,
Bob Dylan bis Joni Mitchell, dann wurde Pat Metheny mein großer
Gitarrenheld – das ist ein so weites Feld, da könnte ich gar nicht
so direkt 70er oder 80er sagen. Es gibt aus beiden Dekaden sehr
schöne Hits, die auch zu Klassikern geworden sind.
Ein kommerzielles
Wesen wird jede Erscheinung annehmen, die der Markt verlangt. Dies
gilt für Schockrocker wie Schauspieler…
Das kann man sagen. Vielleicht, ja.
Folglich
jede Rolle, von der man sich etwas verspricht…
Müsste
man so annehmen.
Also Axel
Prahl mal irgendwann auf dem Traumschiff – so in zehn Jahren
vielleicht?
Lustigerweise habe ich mal dem Rademann, dem Produzenten des Traumschiffs,
vorgeschlagen, mit Katharina Thalbach ein Prollpärchen an Bord zu
spielen, die ihre Reise in einem Kreuzworträtsel gewonnen haben.
„Lieber nicht“, meinte Herr Rademann, damit würde er das Format
zerstören.
Rademann sollte besser noch mal nachdenken.
Der Ruhm
hat keine weißen Flügel, meinte Balzac. Sind Ihre noch weiß oder
wenigstens hellgrau?
Ich fürchte, es bleibt einfach nicht aus… Man möchte so gerne. Dieses
Gewerbe an sich ist schön, aber bisweilen ein komisches, gerade
was diese Kommerzialität anbelangt. Nun, ich bemühe mich, meine
weißen Flügel zu behalten.
Interview: Uwe Kreißig
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