|
Reconnaissance
Interview Mag
|
|
|
Ein
Künstlerleben genügt nicht |
|
Batuz: eine
Begegnung der besonderen Art
|
|
|
Das Jahr 1996
hielt für Batuz ein Missverständnis bereit. Peter Seifert, legendärer
Oberbürgermeister von Chemnitz, hatte für den Weltkünstler seinerzeit
den holzgetäfelten Ratssaal für die Runde „Nachdenken über
Deutschland“ von Batuz‘ Société Imaginaire geöffnet. Doch
nur wenige im Raum konnten den Intentionen des Meisters folgen,
der damals beginnt, das ehemalige Kloster Altzella bei Nossen für
seine Batuz Foundation als Heimatpunkt umzugestalten. Zu
weit entfernt waren Intentionen und Absichten, das Verständnis der
Hintergründe, Politik und Kunst gehen selten gut zusammen, weil
die Erwartungen der Protagonisten völlig unterschiedlich gelagert
sind.
15 Jahre später
sieht man sich wieder, dieses Mal ganz unprätentiös in einer Kurzzeitreha,
wo Batuz nach einer Hüftgelenkoperation wieder körperlich fit gemacht
wird. „Mir geht es gut. Alle sind wunderbar hier“, schwärmt er auf
eine unvergleichliche Art vom Personal, das kann kein Bühnenschauspieler
besser. Medizin und Leben, Kunst und Gesundheit, alles hängt zusammen.
Sonst
ist er ohnehin der alte Star einer Nische des Kunstbetriebs geblieben.
Eloquent, ironisch, mit einem enzyklopädischen Gedächtnis gesegnet,
sein Jahrgang 1933 spielt für ihn nur in einer Hinsicht eine Rolle:
„Ein Künstlerleben genügt nicht für die Realisierung meiner Ideen“,
so Batuz, der aus Ungarn stammte, in Österreich aufwuchs und mit
seiner Familie 1949 nach Argentinien auswanderte, schließlich
in Uruguay eine Künstlergröße wurde und dann in
den USA so etwas wie ein Star der Branche. Später wechselt
er nach Deutschland und kann im West-Ost-Wettkampf vor und auch
nach der Wende Projekte finanzieren, die für die meisten Künstler
ein ganzes Leben unerreichbar bleiben.
Dabei ging es
sehr einfach los. Aus der Armut liest er sich dann heraus. Anfang
der 60er Jahre schlägt er eine künstlerische Karriere ein, die bald
gut vorankommt. Er wird Batuz, geht den klassischen Weg und produziert
Flachware. Arthur Miller oder Paul Newman erwerben seine Bilder,
in Sammlungen wie der Hirshhorn Collection in Washington
oder dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln ist er vertreten.
Anfang der 80er erscheint bei Rizzoli in New York ein dicker
Werkkatalog, es könnte noch ewig so weitergehen. Irgendwo
auf dem Höhepunkt des Ruhms bricht er mit dem klassischen Kunstbetrieb,
bei dem es – wie so oft im wahren Leben – auch immer nur um Geld
und Image geht; Sinn und Form spielen in dieser Branche ohnehin
keine große Rolle mehr. Batuz sucht einen neuen Weg und gründet
1984 seine Société Imaginaire, eine Institution, die mehr
Köpfe von Welt umfasst als so manche Akademie und die dennoch eher
in verborgenen Kanälen präsent ist.
Wenn überhaupt
jemand „vernetzt“ war, dann ist das Batuz gewesen. Mitglieder seiner
Société Imaginaire sind Größen der Kulturbranche wie Hans-Magnus
Enzensberger, Peter Esterhazy, Jürgen Fuchs, Wulf Kirsten, Angela
Krauss, Michael Krüger, Arthur Miller, Inge Morath, Michael Morgner
oder ein Péter Nádas. Mitglied bleibt man für immer.
|
|
 |
|
Für
Batuz ist ein Patientenzimmer in einem Chemnitzer Reha-Zentrum in
allererster Linie ein Arbeitszimmer. Fotos (2): Kreißig |
|
|
Mit Sachsen
hadert er noch heute. Kurt Biedenkopf ließ die Aktionen der Batuz
Foundation in den Ruinen des Klosters Altzella freigiebig fördern,
Jahre später nach Meinung des Sächsischen Rechnungshofes etwas
zu großzügig. Batuz sieht sich noch heute als Opfer der Proskriptionen,
die nach Biedenkopfs Rücktritt an dessen Umfeld eingesetzt hätten.
Biedenkopf-Nachfolger Milbradt habe seine Institution schließlich
aus Altzella verbannt. An Folgeprojekten hat es ihm nie freilich
gemangelt, Batuz hatte sich ohnehin längst auf temporäre Projekte
wie große Installationen und Performances konzentriert. 2010 lässt
er in Afghanistan mit einer Menschenkette „die Grenze“ symbolisieren
wie fünf Jahre zuvor in der Antarktis. Die Lokationen könnten
nicht fremder und abweisender sein.
|
 |
|
Batuz
(l.) mit Beate Lindemann (Atlantikbrücke) und seinem Freund
Walther Leisler-Kiep (Ehrenpräsident der Eliteorganisation Atlantikbrücke)
am 2. März 2015 bei der offiziellen Freigabe seines Werks "Helmets
for Peace", das einst versteckt in einem alten Gaswerk in Chemnitz
hing und später durch Vandalen schwer beschädigt wurde.
Das Foto, das auf ausdrücklichen Wunsch der Abgebildeten entstand,
wurde auch die letzte Aufnahme von Leisler-Kiep, der als Schatzmeister
der CDU unter Kohl später skandalumwittert war, weil er in die
Schwarzgeldaffäre (Stichwort "Koffer-Million") verwickelt
gewesen sein soll. |
|
|
Aber das versteht
er als seine Mission. Die
Kunst ist für ihn das zentrale Korrekturmodell der ausgreifenden
Missverständnisse der Gegenwart geblieben. Sie sei die Überwindung
von Grenzen in allen ihren möglichen Formen. Wenn Batuz erzählt,
fließen die Erinnerungen, Gegenwärtiges, Kunst und Distanz zu einem
schimmernden Amalgam aus Kritik und Ideen, dem allerwichtigsten
Material für einen Künstler, zusammen.
Batuz lädt dann
noch zum gemeinsamen Abendessen, in der Untertage des Reha-Zentrums.
Im Séparée wurde für uns aufgetischt. Was dann
folgt ist eine One-Man-Show mit Gast, so ähnlich wie ein Theaterstück
in der kleinen Probebühne, wo der Besucher mitspielen darf, genau
genommen mitspielen muss. Der Regisseur selbst ist längst wieder
bester Dinge. Es schmeckt ihm, man versteht gar nicht, wieso gern
am Essen im Klinikum gemäkelt wird. Nebenher macht Batuz der Servicemitarbeiterin
ein Kompliment, mit dem sie nicht viel anfangen kann: "Sie
sind mehr Wert als alle Chemnitzer Oberbürgermeister zusammen."
Wo andere längst
resigniert oder völlig aufgegeben hätten, verlängert Batuz sein
persönliches Programm, als spielten Brüche, und seien sie noch so
groß, keine Rolle. Seit einigen Jahren lebt und arbeitet er in der
Villa X in Chemnitz, in der auch sein Archiv bearbeitet wird.
Eine Teilnahme an der Biennale São Paulo sei im Gespräch,
für das Militärhistorische Museum Dresden wäre
eine große Installation vorgesehen. Alles ist wieder eine
Nummer größer als in Sachsen üblich und dennoch nie unglaubwürdig.
Der Abend neigt
sich. Man ist geblendet von dem Altstar, der kein Star mehr ist.
Sein Dank ist sehr groß: Man wird zum Mitglied der Société Imaginaire
gemacht. Das ist wirklich eine Ehre.
Eine letzte
Frage muss er dennoch akzeptieren: Ist es möglich, dass seine Société
langsam verblasst, doch die Idee dahinter bleiben kann? Batuz furchtlos
wie skeptisch: „Ja und nein.“
Uwe Kreißig
Nachtrag vom
1.1.19: Batuz hat Chemnitz vor einiger Zeit in Richtung USA verlassen.
Sein Sohn soll ihm dort ein repräsentatives Privatmuseum errichtet
haben, über das bislang kaum etwas bekannt ist. Die Villa
X (die einstige Zentrale des VEB Stadtwirtschaft Karl-Marx-Stadt),
in der Batuz am Fuße des Sonnenbergs lebte und in der die
Société Imaginaire ihren Sitz hatte, hat er verlassen. Es
heißt, dass dort ein künstlerisches Kreativzentrum entstehen
soll, wodurch das Terrain mit Club Lokomov, Club Tesla
und dem Co-Working-Space von Immobilienentwickler Lars Fassmann
eine weitere Aufwertung erfahren könnte.
|
|
|
Batuz und die
Société Imaginaire im Internet;
Batuz
Société Imaginaire
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Kontakt
/ Impressum / Datenschutzerklärung |
|
|
©
2013 / 2015 / 2019 Reconnaissance Interview Mag |
|